Eine Rede zum Festakt von Silvia Herzog:
„Das ehemalige Berufsschulzentrum 10 der Stadt Leipzig wurde 2005 umbenannt in „Susanna-Eger-Schule, Berufliches Schulzentrum der Stadt Leipzig“. Namensgeberin war die Leipziger Köchin Susanna Eger, die heute 375 Jahre alt wäre.
Zu ihrem Nachlass zählen etwa 900 Rezepte, die sie in einem Kochbuch sammelte und erstmals 1706 unter dem Titel „Leipziger Kochbuch“ veröffentlichte. In diesem Büchlein finden sich beispielsweise „Bärse mit Zitrone“, „Austern in Fäßgen“, „Schnepfen-Pastete“ und „Potagensuppe von Tauben“. Diese Vielfalt an Pasteten, Suppen, Fleisch-, Fisch- und Backrezepten, um nur einige zu nennen, ist im Wesentlichen der Tatsache zu verdanken, dass Leipzig von je her ideale Voraussetzungen bot. Schließlich kreuzten sich die zwei bedeutendsten Handelsrouten „Via Regia“ und „Via Imperii“ im Leipziger Stadtkern, die es ihr ermöglichten, neben den heimischen Waren auch überregionale Produkte zu verarbeiten.
Die „Via Regia“ (Königsstraße) existiert seit mehr als 2.000 Jahren und ist damit die älteste und zugleich, mit mehr als 4.500 Kilometern, die längste Landverbindung zwischen Ost- und Westeuropa. Von nicht minderer wirtschaftlicher Bedeutung war die „Via Imperii“ (Reichsstraße), die von Stettin, an der polnischen Ostsee, bis nach Rom in Italien führte. Allein um 1430 wurden zwischen Augsburg und Venedig über 6.000 Frachtwagen pro Jahr abgewickelt.
Mit dem Bau der Eisenbahn verloren diese Wege allerdings an Bedeutung. Die Menschen, die die Straßen bis dahin meist nur zu Fuß begehen konnten, hatten nun die Möglichkeit, die Strecken mit der Bahn viel schneller zurückzulegen und dabei viel weitere Entfernungen zu überwinden. Der Transport von Waren war damit nicht mehr so beschwerlich.
Mit der Erfindung des Automobils mussten die alten Handelsstraßen schließlich neuen verkehrstechnischen Anforderungen entsprechen, um befahren werden zu können. Somit begann gegen Ende der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts der Ausbau zu Autobahnen. Heute ist es die A 4, die im Wesentlichen noch immer dem historischen Verlauf der „Via Regia“ folgt.
Welche Waren wurden nun auf diesen Wegen transportiert und waren für die Küche der Susanna Eger von Bedeutung? Im Grunde gab es nichts, womit nicht gehandelt wurde. Austern kamen aus Frankreich, Fisch aus Stettin, Wein aus Frankreich und Italien.
Wenn man sich mit namhaften Kaufleuten der damaligen Zeit auseinandersetzt, bekommt man eine Vorstellung von der Vielzahl der gehandelten Waren. So zum Beispiel Heinrich Cramer, ein Leipziger Kaufmann, der knapp 40 Jahre vor Susanna Eger lebte. Er handelte mit Tuchen, Wollwaren aus Flandern, Seiden- und Rauchwaren, Edelsteinen, Waid und Waffen, Goslarer Blei, erzgebirgischem Silber und Zinn sowie Kupfer. Bereits um 1500 wurde Leipzig ein Zentrum des überregionalen Warenaustausches, der städtischen Reichtum mit sich brachte, der sich bis heute auch in der Architektur widerspiegelt. Und eben auch in der Vielzahl der hinterlassenen „Egerin Rezepte“.
Zum Abschluss eine kurze Legende, die einen Einblick gibt, was sich beispielsweise auf diesen beiden Handelsstraßen ereignete. Das „Hühnerwunder“ von Santo Domingo de la Calzada, eine der in Deutschland bekanntesten Legenden: „Eine Pilgerfamilie ist auf ihrer Wallfahrt nach Santiago de Compostela auch durch Santo Domingo de la Calzada gekommen. Sie übernachteten in einem Wirtshaus. Die Wirtstochter fand den Sohn der Familie sehr attraktiv, der – fromm und keusch – ihr Angebot aber zurückwies. Die Zuneigung der Wirtstochter wandelte sich in bösen Zorn, sie sann auf Rache und versteckte einen Silberbecher in seinem Gepäck. Der Wirt bemerkte am Folgetag den Verlust und schickte die Stadtbüttel aus, die auch schnell fanden, was sie suchten. Der junge Mann wurde nach kurzem Prozess aufgehängt und die Eltern zogen traurigen Herzens weiter nach Santiago. Auf dem Rückweg kamen sie wieder an der Richtstatt vorbei, wo sie ihr Sohn ansprach, dass er gar nicht tot sei, weil ihn der hl. Jakobus gehalten hätte. Die Eltern liefen daraufhin zum Richter, der vor einem Teller gebratener Hühner saß, und berichteten das Vorgefallene. Der Richter antwortete, dass ihr Sohn so tot wie die beiden Hühner vor ihm wären, worauf diese sich erhoben und davonflatterten. Nun wurde der Sohn ab- und die Wirtstochter aufgehängt, die Familie zog weiter nach Hause. Zur Erinnerung an das wunderbare Ereignis findet der Besucher in der Kathedrale von Santo Domingo de la Cazada einen Käfig mit zwei Hühnern.““
Mehr Informationen finden Sie unter: www.via-regia.org/viaregiageschichte/
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